Forschung - 24.09.2025 - 09:00 

Einkaufstourismus übersteigt das Niveau vor Corona-Krise

Trotz Einführung der neuen Zollfreigrenze ist der Einkaufstourismus 2025 auf 9.2 Milliarden CHF gestiegen. Dies zeigt die neu aufgelegte Studie «Einkaufstourismus Schweiz 2025», die Forschende des Instituts für Handelsmanagement an der HSG neu publiziert haben.

Die repräsentative Langzeitstudie beschreibt wesentliche Veränderungen im Konsumentenverhalten und legt in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf die Einführung der neuen Zollfreigrenze. Die Studienautoren Thomas Rudolph, Nora Kralle und Tim-Florian Gerlach haben untersucht, welche Händler im Ausland bei Kunden in der Schweiz am beliebtesten sind und an welchen Orten sie am liebsten einkaufen. Seit 25 Jahren untersucht das Forschungsteam um Professor Thomas Rudolph am Institut für Handelsmanagement der Universität St.Gallen (IRM-HSG) Einkaufstourismus in der Schweiz. Für die aktuelle Auflage der Studie in allen Sprachregionen der Schweiz wurden über 3000 Konsumenten befragt.

Schweizer Einkaufstouristen überschätzen die Preisvorteile im Ausland erheblich

Eine zentrale Erkenntnis: Gemäss der Analyse schätzen Schweizer Einkaufstouristen Waren in der Schweiz rund 66 % teurer ein als im grenznahen Ausland. Der tatsächliche Preisunterschied in den fünf untersuchten Warengruppen liegt aber nur bei durchschnittlich 40 %, was einer Überschätzung von 26 Prozentpunkten entspricht. Massiv überschätzt werden die Preise in den Warengruppen Lebensmittel, Sportartikel und Einrichtungsgegenstände. Weitere Ergebnisse im Überblick:

  • Motive: Die Hauptmotive für den Einkauf im Ausland sind in absteigender Reihenfolge, erstens tiefere Preise, zweitens Produkte, die es nicht in der Schweiz gibt, drittens die grössere Auswahl.
  • Städte: Das beliebteste Einkaufsziel der deutschsprachigen Schweizer bleibt Konstanz. Französisch- und italienischsprachige Schweizer fahren am liebsten nach Pontarlier und Como.
  • Lieferwege: 77 % der Bestellungen im Ausland werden direkt in die Schweiz geliefert, der Rest im Ausland bei Freunden oder einem Postfach abgeholt.
  • Beliebte Händler im Ausland: Zwar haben die Bestellungen beim beliebtesten Online-Händler Amazon zugenommen und auch Amazon Prime konnte zulegen, jedoch konnte Temu das mit Abstand stärkste Wachstum erreichen.
  • Hemmnisse: In stationären Geschäften stellen überfüllte Züge, der hohe Kundenandrang sowie die aufwendige Zollabwicklung die grössten Hindernisse für den Einkaufstourismus dar.
  • MwSt-Rückerstattung: Mit der Reduktion der Zollfreigrenze von 300 auf 150 CHF lassen sich weniger Einkaufstouristen die Mehrwertsteuer zurückerstatten. Gleichzeitig hat sich die Nutzung der Tax-Free Formulare erhöht.


Weiterhin lässt sich feststellen:

Starke Verbreitung: 72 % der Gesamtbevölkerung in der Schweiz fahren durchschnittlich 5.1-mal pro Jahr ins Ausland zum Einkaufen, legen dabei eine Fahrstrecke von rund 118 Kilometer zurück und geben im Durchschnitt in stationären Geschäften 230 CHF pro Einkauf im Ausland aus (188 CHF für Online-Einkäufe).

Leichte Zunahme des Einkaufstourismus: Die Einkäufe für Einrichtung, Lebensmittel, Sportartikel, Textilien und Drogerieartikel im Ausland erreichen im Jahr 2025 insgesamt 9.2 Milliarden CHF. Im Vergleich zum Jahr 2022 ist dies ein Anstieg um rund 10 %. Damit egalisiert der EKT 2025 das Niveau aus dem Jahr 2017, als dieser bei knapp 9.1 Milliarden CHF lag. Gemessen am Gesamtumsatz des Schweizer Detailhandels entsprechen diese 9.2 Mrd. CHF rund 9 % aller Konsumausgaben. Der Online-EKT macht von den 9.2 Mrd. (stationär und online) rund 1.6 Mrd. CHF aus und ist ebenso wie der stationäre EKT um rund 10 % gewachsen.

Lebensmittel werden deutlich häufiger im Ausland eingekauft: Der Zuwachs des EKT um 10 % geht fast ausschliesslich auf mehr stationäre Lebensmitteleinkäufe im benachbarten Ausland zurück. Diese Einkäufe für Lebensmittel haben um rund 800 Mio. auf neu 4.0 Mrd. CHF zugelegt. Der Umsatzverlust für den Schweizer Handel durch sowohl stationären als auch Online-EKT liegt für Einrichtung/Möbel bei 1.8 Mrd., für Bekleidung bei 1.4 Mrd., für Drogerieartikel bei 1.15 Mrd. und Sportartikel bei 730 Mio.

Die Absenkung der Zollfreigrenze hat das EKT-Wachstum abgeschwächt: Konsument:innen haben die Absenkung der Zollfreigrenze von 300 auf 150 CHF, sowie die Einführung der Mehrwertsteuer für Online-Einkäufe auf ausländischen Marktplätzen wie Temu oder Shein, wahrgenommen und erkennen darin eine Verteuerung von Einkäufen im Ausland. So kam es zwar bei Bekleidung und Sportartikeln noch zu einem kleinen Wachstum, für Möbel und Drogerieartikel hat sich der EKT jedoch leicht abgeschwächt.

Wachstum des EKT bei Lebensmitteln: Bei Lebensmitteln kam es zu einem massiven Wachstum des EKT, weil die Mehrwertsteuerrückerstattung in dieser Warengruppe bisher aus Konsumentensicht nicht wichtig war und der Einkaufsbetrag tiefer als in den anderen Warengruppen liegt. Die Absenkung der Zollfreigrenze hatte in dieser Warengruppe somit kaum Einfluss.

Inflation: Auch haben Konsumenten die höhere Inflation im Ausland durchaus wahrgenommen und erkennen eine stärkere Annäherung der Preise zwischen der Schweiz und dem benachbarten Ausland. Dennoch kam es zu einem EKT-Anstieg. Die Autoren erklären diesen Zuwachs des EKT in erster Linie mit verstärkten Sparbemühungen. Viele Haushalte in der Schweiz zahlen für Energie und Krankenkasse mehr, sind verunsichert von der weltpolitischen Lage und den hohen Zöllen der USA. Diese historisch schlechte Konsumstimmung fördert den EKT trotz einer Verteuerung der Waren im benachbarten Ausland.


Die vollständige Studie «Einkaufstourismus Schweiz 2025» ist im Onlineshop des Instituts kostenfrei erhältlich.

north